Wie nachhaltig ist mein ETF? Wer verantwortungsvoll investieren will, dem drängt sich diese Frage auf. An Namenszusätzen wie „ESG“ (Environmental, Social, Governance) und „SRI“ (Socially Responsible Investment) sind nachhaltige ETFs schnell zu erkennen. Was hinter diesen und anderen Kürzeln steckt, zeigt sich aber erst beim Blick auf die Auswahlkriterien und die einzelnen Wertpapiere.
Ein nachhaltiger ETF bildet wie sein konventionelles Pendant die Wertentwicklung eines Index ab. Indexanbieter wie MSCI oder S&P Dow Jones haben dafür aus Marktbarometern wie dem MSCI World oder dem S&P 500 spezielle Tochterindizes abgeleitet. Sie enthalten nur Wertpapiere, die eine Reihe von Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllen.
Eine Grundlage für die Entscheidung, wer in einen nachhaltigen Index aufgenommen wird, sind Ratings. Die erstellen spezialisierte Unternehmen oder die Indexanbieter, indem sie die Nachhaltigkeitsberichte der Unternehmen studieren, Medienberichte auswerten und die Daten von Organisationen wie Transparency International analysieren. Zum Teil führen die Anbieter auch eigene Umfragen bei den Unternehmen durch.
Anhand dieser Analysen beurteilen die Indexanbieter die Emittenten von Wertpapieren in den drei wesentlichen Kategorien von Nachhaltigkeit: Ökologie, soziale Kriterien und verantwortungsvolles Handeln.
Bei der Bewertung gibt es kein Schwarz-Weiß, ein Unternehmen ist nicht entweder nachhaltig oder nicht. MSCI vergibt Ratings von AAA bis CCC – wer die Bestnoten AAA oder AA erhält, zählt zu den Führenden in seinem Segment. Hinter dem mit A, BBB oder BB bewerteten Durchschnitt rangieren mit B oder CCC die Nachhaltigkeits-Nachzügler. S&P Dow Jones beurteilt die Nachhaltigkeit auf einer Skala von null bis 100 Punkte.
Volkswagen ist von MSCI derzeit mit CCC bewertet. Als der Autobauer im September 2015 nach Bekanntwerden des Diesel-Skandals auf die schlechteste Note herabgestuft wurde, begründete MSCI das nicht mit schlechten Abgaswerten, sondern vor allem mit unethischem Verhalten von Verantwortlichen – also mit einer Verschlechterung in der ESG-Dimension „Governance“, nicht „Environment“.
Autobauer Tesla hat wie auch BMW ein A-Rating. Das Beispiel zeigt: Elektroautos zu bauen sichert einem Unternehmen nicht automatisch die Bestnote. Umgekehrt heimst ein Hersteller von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor nicht zwingend schlechte Noten ein, wenn man seine Nachhaltigkeit umfassend bewertet. BMW etwa wird von MSCI innerhalb der Autobranche als führend bei Arbeitsbedingungen und CO2-Fußabdruck der Flotte beurteilt. Durch die Brille von S&P Dow Jones stehen die beiden Autobauer nicht auf einer Ebene: BMW bekam zuletzt 78, Tesla nur 17 von 100 möglichen Punkten. Nachhaltigkeit liegt also auch im Auge des Betrachters, abhängig von dessen Kriterien und deren Gewichtung.
Wenn sie die nachhaltigen Indizes zusammensetzen, wenden die Anbieter vor allem zwei Methoden an.
Zum Teil kombinieren sie beide Ansätze. Zusätzlich variieren sie bei der Gewichtung: In manchen Indizes richtet sich der Anteil der einzelnen Emittenten nach der Streubesitz-Marktkapitalisierung, in anderen gewichten die Indexanbieter Mitglieder mit guten ESG-Ratings höher. Auf diese Weise lässt sich ein breites Spektrum an Nachhaltigkeitsindizes bauen. Denn bei der Indexzusammensetzung gilt ähnlich wie bei den Ratings: Statt Schwarz-Weiß gibt es einen fließenden Übergang von wenig über sehr strenge Auswahlkriterien bis hin zur Fokussierung auf einzelne Aspekte von Nachhaltigkeit.
Entsprechend hat etwa MSCI mehr als 1.500 nachhaltige Aktien- und Anleiheindizes und allein zum MSCI World eine ganze Palette an Töchtern im Angebot. In der Variante „ESG Screened“ sind rund 100 Aktien weniger enthalten als im Mutterindex, der aktuell aus 1.601 Titeln besteht. Ausgeschlossen sind unter anderem Hersteller ziviler Feuerwaffen, Tabakfirmen oder Unternehmen, die gegen Prinzipien des Globalen Pakts der Vereinten Nationen verstoßen – etwa das Gebot, Kinderarbeit zu bekämpfen. Beim MSCI World ESG Enhanced Focus wendet MSCI zunächst dieselben Ausschlusskriterien an. Die verbleibenden Firmen werden so ausgewählt und gewichtet, dass der CO2-Fußabdruck des Index um 30 Prozent kleiner ist als der seiner nach Marktkapitalisierung gewichteten Mutter. Gleichzeitig achtet MSCI darauf, dass er ein ähnliches Rendite-Risiko-Profil wie der MSCI World hat. 1.490 Aktien sind im Index enthalten.
Deutlich strenger ist die Auswahl im MSCI World SRI. Hier bleiben auch Firmen draußen, die Geld mit Glücksspiel oder Pornographie verdienen. Zusätzlich hat MSCI bei dem SRI-Index einen Best-in-Class-Filter eingebaut: Von den nach den Ausschlüssen verbleibenden Firmen werden nur die mit einem ESG-Rating besser als B und einem sogenannten Kontroversen-Score über null berücksichtigt. Dieser von MSCI berechnete Score zeigt an, ob ein Unternehmen zum Beispiel durch Bestechung oder Diskriminierung aufgefallen ist. Ein Wert von null bedeutet, dass ein Unternehmen in mindestens eine aus Sicht von MSCI sehr schwere Kontroverse verwickelt ist. Wer den Bestwert von zehn Punkten erreicht, bei dem sind keine umstrittenen Aktivitäten bekannt. Bei der regelmäßigen Neugewichtung des SRI-Index sind die Anforderungen für Firmen, die bisher nicht enthalten waren, strenger. Ihr ESG-Rating beispielsweise muss besser sein als BBB.
386 Unternehmen sind im Index enthalten. MSCI achtet darauf, dass die Indexmitglieder 25 Prozent der Marktkapitalisierung in jeder Branche und Region aus dem Mutterindex abdecken.
Ähnlich wie MSCI bietet auch S&P Dow Jones unterschiedliche nachhaltige Varianten von Indizes wie dem S&P 500 an – darunter den S&P Environmental and Socially Responsible Index, aus dem neben Tabakfirmen und Waffenherstellern auch Unternehmen aus dem Geschäft mit fossilen Brennstoffen ausgeschlossen sind.
Wie Aktienindizes lassen sich auch nachhaltige Barometer für Unternehmensanleihen zusammensetzen. MSCI hat sich hierfür mit Bloomberg zusammengetan und Indizes wie den Bloomberg Barclays MSCI US Corporate Sustainability SRI Index kreiert. Er enthält in US-Dollar denominierte Anleihen von Firmen, die mindestens ein ESG-Rating von BBB haben und nicht in Geschäftsfeldern wie Glücksspiel, Atomkraft oder Waffen tätig sind.
Sind die Herausgeber von Wertpapieren Staaten, rücken bei der ESG-Analyse und der anschließenden Zusammensetzung und Gewichtung der Indizes zum Teil andere Faktoren in den Fokus. RobecoSAM, die Rating-Einheit von S&P Global, wertet in ihrer Untersuchung von 150 Staaten neben Umweltrisiken und Alterung der Bevölkerung beispielsweise auch aus, ob in einem Land Korruption an der Tagesordnung ist oder wie gut die Institutionen das Recht durchsetzen. Schweden steht derzeit als nachhaltigstes Land an der Spitze, Schlusslicht ist der Jemen. Deutschland liegt auf Platz elf.
Indizes, die Nachhaltigkeitsfilter einzig auf Staatsanleihen anwenden, gibt es allerdings nur wenige. Etwas häufiger sind gemischte Indizes aus Staats- und Unternehmensanleihen mit guten ESG-Ratings.
Für Anleger werden nachhaltige Indizes über ETFs zugänglich, die Anbieter von iShares über Invesco bis DWS auflegen. Sie haben nicht unbedingt auf jeden noch so speziellen Nachhaltigkeitsindex einen ETF im Angebot. Doch das Spektrum ist breit genug, um unterschiedlichste Ansprüche zu erfüllen. Anleger können bei der ETF-Auswahl strenge oder weniger strenge Nachhaltigkeits-Maßstäbe anlegen. Sie finden auf dem Markt zudem ETFs, mit denen sie beispielsweise gezielt in grüne Technologie oder sogar nach ihrer Weltanschauung investieren können.
Die Palette des ETF-Marktführers iShares orientiert sich primär an der Einteilung von MSCI in ESG-, ESG-Enhanced- und SRI-ETFs. Zudem können Anleger thematisch investieren, etwa in einen ETF auf 30 Firmen aus dem Bereich der sauberen Energien. Bei Invesco gibt es zum Beispiel auch einen Indexfonds auf einen Tochterindex des MSCI Europe, der Grundsätze des katholischen Glaubens berücksichtigt. Hier sind beispielsweise Firmen ausgeschlossen, die Stammzellforschung betreiben oder Verhütungsmittel herstellen.
Auch beim Investieren mit nachhaltigen ETFs haben Anleger zwei Möglichkeiten: Sie können auf ein gemanagtes Portfolio setzen, bei dem ein Vermögensverwalter die ETFs zusammenstellt und die Portfoliogewichte zu bestimmten Anlässen auf ihren Ausgangswert zurückführt (Rebalancing). Oder sie wählen selbst ETFs aus – und können so eigene Schwerpunkte setzen. Im zweiten Fall lohnt es sich, speziell auf die folgenden Punkte zu achten:
Zuletzt sollten Anleger das verfügbare Angebot an ETFs auf denselben nachhaltigen Index unter die Lupe nehmen. ETFs verschiedener Anbieter auf die identische Benchmark können sich beispielsweise bei den Kosten unterscheiden. Zudem gibt es, zum Teil vom gleichen Anbieter, auf manche Indizes sowohl einen ausschüttenden als auch einen thesaurierenden ETF. Hier hat der Anleger die Wahl, ob er regelmäßig Dividenden ausgezahlt bekommen oder diese automatisch wieder anlegen lassen möchte.
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