Dass klassische Bankberatung tückisch sein kann, hat sich rumgesprochen. Sie ist nicht unabhängig. Der Anleger fragt sich unweigerlich: Handelt der Berater in meinem Interesse oder in dem seines Arbeitgebers? Sind die empfohlenen Investments wirklich die besten für mich? Oder sind sie überteuert und bescheren lediglich der Bank hohe Provisionen? Ich erinnere mich noch gut an die Antwort einer Bankberaterin, die ich gefragt hatte, warum sie keine ETFs empfiehlt. „Aber Herr Mittnik, wir wollen doch auch etwas verdienen‟, empörte sie sich.
In Großbritannien und den Niederlanden sind Provisionen bei der Anlageberatung bereits verboten. In Deutschland nicht. Berlin setzt lieber auf Berater, die unabhängig von Banken sind, und hat 2013 das Gesetz zur Förderung und Regulierung der Honorarberatung verabschiedet. Hier wird die Beratung nicht indirekt bezahlt, der Anleger muss selbst dafür aufkommen. Der Honorarberater kann also ganz im Interesse des Kunden beraten.
Fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes ist die Honorarberatung allerdings weit davon entfernt, der provisionsgetriebenen Beratung Paroli zu bieten. Zur Jahresmitte zählte die Deutsche Industrie- und Handelskammer nur 161 registrierte Honorar-Finanzanlageberater. Weniger als im Vorjahr – da waren es noch 185.
Das geringe Interesse kann verschiedene Ursachen haben. Die US-Forscher Juhani Linnainmaa, Brian Melzer und Alessandro Previtero haben im Mai eine Studie vorgestellt, die eine Erklärung liefert. Der Titel verrät bereits einiges über die Schlussfolgerungen: The Misguided Beliefs of Financial Advisors1 (Der Irrglaube der Finanzberater).
Die Studie hat die Kundendepots von gut 4.400 unabhängigen Finanzberatern in Kanada analysiert, für die Jahre 1999 bis 2013. Die Berater betreuen knapp 500.000 Kunden mit einem Gesamtanlagevolumen von knapp 19 Milliarden Kanadischen Dollar (umgerechnet gut 12 Milliarden Euro). Die Qualität der Anlageempfehlungen konnte anhand dieser Daten sehr genau unter die Lupe genommen werden.
Die Ergebnisse sind ernüchternd. Anleger, die sich professionell beraten lassen, leiden offenbar unter den gleichen typischen Fehlern wie Selbstentscheider: Sie handeln zu oft, diversifizieren zu wenig, sind auf der Jagd nach dem schnellen Dollar und investieren überwiegend in teure, aktiv gemanagte Fonds. Folge: Die Kundenportfolios werfen weniger Rendite ab als ihre Benchmark – jährlich um rund drei Prozentpunkte.
Der Clou an der Studie: Die Forscher analysierten nicht nur die Depots der Kunden. Sie hatten auch Zugang zu den Privatdepots von rund drei Viertel der Berater. So konnten sie untersuchen, inwieweit die Berater für sich selbst andere Anlagen wählten als für ihre Kunden. Und jetzt kommt es: Die Beraterdepots waren um keinen Deut besser aufgestellt. Sie wiesen ebenfalls die klassischen Fehler auf und erzielten ebenfalls drei Prozentpunkte weniger Rendite als die Benchmark.
Die Depots der beiden Gruppen wiesen noch weitere gemeinsame Trends auf:
Auf einen Unterschied zur Situation in Deutschland soll dabei hingewiesen werden: Die untersuchten kanadischen Berater empfehlen ausschließlich Fonds und bekommen zwar Provisionen. Allerdings unterliegen sie keinerlei Restriktionen und können Fonds verschiedenster Anbieter empfehlen. Sie sind also im Vergleich zu unseren Bankberatern unabhängig, dürften aber durchaus Interesse daran haben, provisionslastige und somit teure Fonds an den Mann zu bringen.
Man könnte daher vermuten: Berater legen absichtlich teure Fonds ins eigene Depot, um ihren Kunden zu zeigen, dass sie auch privat zu diesen Anlagen stehen. Um diese Hypothese zu überprüfen, haben die Forscher untersucht, ob die Berater nach Karriereende auf günstigere Fonds umgestiegen sind. Ergebnis: Sie blieben bei den teuren Produkten. Offensichtlich waren sie davon überzeugt, dass teure, aktive Fonds die beste Wahl sind. Einen Unterschied gab es allerdings. Doch auch der ist wenig schmeichelhaft: Die Ruheständler nutzten ihre gewonnene Freizeit, um noch häufiger zu handeln als in ihrer aktiven Zeit. Das jährliche Handelsaktivität erhöhte sich um die Hälfte.
Die Resultate sind ein Armutszeugnis für die Berater. Sie zeigen: Allein die Tatsache, dass ein Berater nicht auf Anweisung irgendeines Arbeitgebers handelt, muss nicht automatisch mit Kompetenz einhergehen. Und sie führt auch nicht zwangsläufig zu besseren Ergebnissen für den Kunden. Der muss befürchten, dass er nicht (nur) aus Habgier oder Interessenkonflikten falsch beraten wird, sondern auch aufgrund von Inkompetenz und Irrglauben. Vielleicht sind diese Sorgen auch ein Grund dafür, dass die Honorarberatung in Deutschland auf keinen grünen Zweig kommt.
Und für den Anleger gilt: Er sollte immer prüfen, wie hoch die Kosten der Finanzprodukte und die Risiken sind. Diese Größen lassen sich – im Gegensatz zur künftigen Performance – konkret quantifizieren. Und wenn Ihr Berater dazu nicht in der Lage ist? Dann lassen Sie sich doch mal die Auszüge seines Privatdepots zeigen – oder besser: Nehmen Sie Reißaus.
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