Franz Josef Leipfinger
ist Rechtsanwalt in München. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität in Passau und der LMU in München. Seinen Abschluss als Master of Law in Commercial Law (LL.M.) machte er an der Universität von Kapstadt.
Nach Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) werden in Deutschland jährlich bis zu 400 Milliarden Euro vererbt oder verschenkt. Im Schnitt waren es in den vergangenen 15 Jahren inflationsbereinigt 85.000 Euro pro Erbschaft. Die Hälfte der Erbinnen und Erben bekam Summen unter 31.000 Euro. Weniger als fünf Prozent erhielten Beträge über 400.000 Euro. Im Jahr 2020 gab es in Deutschland 133.326 steuerpflichtige Erbschaften und 32.280 steuerpflichtige Schenkungen.
Die gute Nachricht: Nicht auf jedes Erbe fallen Steuern an. Je nach Verwandtschaftsgrad sind mehr oder weniger großzügige Freibeträge vorgesehen. Je enger jemand mit dem Erblasser verwandt ist, desto höher ist der Freibetrag (siehe Tabelle 1). Falls Steuern zu zahlen sind, ist der jeweilige Erbschaftssteuersatz abhängig von der Höhe der Erbschaft und der Steuerklasse (siehe Tabelle 2).
Die schlechte Nachricht: Erben läuft nach dem Prinzip: Alles oder Nichts. Neben Immobilien oder Vermögen werden möglicherweise Schulden mitgeerbt. Es stellt sich also die Frage: Erbe annehmen und ausschlagen? Das ist eine folgenreiche Entscheidung, daher lohnt es, sich frühzeitig mit dem Thema Erben auseinanderzusetzen – auch, um sich in Zeiten der Trauer nicht zusätzlich zu belasten. Welche Möglichkeiten (potenzielle) Erbinnen und Erben haben, klären wir im Interview mit Rechtsanwalt Franz Josef Leipfinger.
Herr Leipfinger, was empfehlen Sie Erbinnen und Erben von höheren Vermögen oberhalb der steuerlichen Freigrenzen?
Franz Josef Leipfinger: Auch wenn das Thema oft aufgrund von persönlichen Beziehungen sensibel ist, sollte man es früh genug angehen. Gerade wer ein hohes Vermögen hat, kann zu Lebzeiten vorsorgen, um die spätere steuerliche Belastung der Erben gering zu halten. Eine Möglichkeit sind Schenkungen. So sind beispielsweise grundsätzlich Schenkungen an Kinder in Höhe von bis zu 400.000 Euro beziehungsweise von bis zu 500.000 an Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner steuerfrei.
Lassen Sie uns das Thema Schenkung vertiefen. Wie lässt sich eine Schenkung konkret nutzen?
Besonders bei erheblichen Vermögen sind die Freibeträge rasch ausgeschöpft, weshalb man oft mit gemischten Lösungen arbeitet.
Die Schenkung ist eine Art der Vermögensübertragung unter Lebenden, welche steuerliche Vorteile für beide Seiten vorsieht. Besonders bei erheblichen Vermögen sind die Freibeträge rasch ausgeschöpft, weshalb man oft mit gemischten Lösungen arbeitet. Eine solche kann so aussehen, dass beispielsweise ein Teil der Erbschaft innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Freigrenzen vorab verschenkt wird, ein weiterer Teil vererbt wird und für einen weiteren Teil mit einer gesellschaftsrechtlichen Lösung gearbeitet wird.
Was ist unter einer vorweggenommenen Erbfolge zu verstehen? Was gilt es hierbei juristisch und finanziell zu beachten?
Die vorweggenommene Erbfolge ist ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, meist in Form einer Schenkung, bei der spätere Erblasser einem oder mehreren potentiellen Erbinnen und Erben bereits zu Lebzeiten Vermögenswerte zuwenden. Aufgrund des Schenkungscharakters unterfällt die vorweggenommene Erbfolge grundsätzlich dem Schenkungsrecht, ist jedoch oft auf Grund eines zeitlichen Zusammenhangs dem sogenannten „Nachlasswert“ zuzuschlagen. Der Schenkungssteuer-Freibetrag darf alle zehn Jahre in voller Höhe ausgeschöpft werden. Konkreter: Wenn eine Schenkung vorgenommen wird, wird diese in voller Höhe von 400.000 Euro auf den Pflichtteilsanspruch eines Kindes angerechnet. Die Anrechnung verringert sich jährlich um 40.000 Euro auf einen Zeitraum von zehn Jahren und kann danach wieder voll ausgeschöpft werden.
Wie kann ein Testament beim Vererben helfen?
Ein Testament bringt für die Verfasserin oder den Verfasser und gegebenenfalls für die Nachfahren mehr Rechtssicherheit. Das Testament, das auch letztwillige Verfügung von Todes wegen genannt wird, behandelt oftmals nur die Vermögensverteilung nach dem Ableben. Das Testament kann jedoch teilweise auch persönliche oder ideelle Inhalte haben. Es kann die gesetzliche Erbfolge verändern, jedoch nur bis zum sogenannten „Pflichtteil“ der einzelnen Erben. Dieser entspricht der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Bei Ehepartnern erhöht sich der gesetzliche Erbteil noch einmal um ein Viertel, wenn die Ehe und damit der Güterstand durch den Tod des einen Ehepartners beendet wird. Der Pflichtteil kann nur in extremen Ausnahmefällen entzogen werden, beispielsweise wenn sich die Erbin oder der Erbe eines Verbrechens gegen die Erblasserin oder den Erblasser schuldig gemacht hat.
Nicht immer sind Menschen Alleinerben, sondern haben beispielsweise Geschwister. Erbstreitigkeiten sind sehr häufig. Was übernimmt die Rechtsschutzversicherung üblicherweise?
Vor allem bei oft erheblichen Streitwerten können hohe Kosten anfallen und ein Rechtsstreit kann sich über mehrere Instanzen ziehen und mehrere Jahre dauern.
Wer mit solchen Streitigkeiten rechnet, sollte zunächst einmal darauf achten, dass die eigene Rechtsschutzversicherung den Bereich des privaten Rechtsschutzes abdeckt, welchem das Erbrecht unterliegt. Die Kosten für ein Gerichtsverfahren zur Lösung eines Erbstreits muss vollumfänglich die unterliegende Partei tragen. Vor allem bei oft erheblichen Streitwerten können hohe Kosten anfallen und ein Rechtsstreit kann sich über mehrere Instanzen ziehen und mehrere Jahre dauern.
Lohnt es sich beispielsweise Häuser schon zu Lebzeiten an die Erben zu verkaufen?
Es kann Sinn machen Immobilien schon zu Lebzeiten an die Erben zu verkaufen. Das muss jedoch im Einzelfall geprüft werden und den Interessen beider Seiten entsprechen.
Wenn der Erbfall eingetreten ist: Wie lange haben Erbinnen und Erben Zeit, die Erbschaft auszuschlagen, und ab wann beginnt die Frist?
Ein Erbe kann ich nur binnen sechs Wochen ausschlagen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu welchem die Erben von dem Anfall und dem Grunde der Berufung Kenntnis erlangen, sprich zu dem der Erbe erfährt, dass er Erbe ist. Die sogenannte „Berufung“ bedeutet grundsätzlich eine Erbenstellung, welche sich entweder durch den Erblasser durch Testament oder einen Erbvertrag oder – falls beides nicht existiert – durch Gesetz ergibt. Im letzteren Fall gilt die gesetzliche Erbfolge.
Herr Leipfinger, vielen Dank für das Interview.
Tabelle 1: Freibetrag der Erbschaftsteuer nach Verwandtschaftsgrad
Tabelle 2: Steuersätze der Erbschaftsteuer
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