Starke Karosse, schwache Rendite

14. Januar 2019  |  Prof. Dr. Stefan Mittnik
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Starke Karosse, schwache Rendite: Was das Auto eines Fondsmanagers über seine Performance verrät.

Erinnern Sie sich noch an meinen Artikel vom 9. August auf diesem Blog? Nein? Dann helfe ich gern etwas nach. „Finanzberatung: Irren ist üblich‟, hieß er. Darin empfahl ich Ihnen, einen Blick auf das private Depot eines Anlageberaters zu werfen, bevor Sie dessen Ratschlägen vertrauen. Denn eine wissenschaftliche Studie zeigt: Liegen im Privatportfolio des Beraters teure Fonds, dann landen wahrscheinlich auch in Ihrem Depot teure Finanzprodukte. Und hat er sein eigenes Depot mit hochriskanten Papieren bestückt, dann wird er wahrscheinlich auch in Ihrem Portfolio volles Risiko gehen. Offenbar setzen Berater in den Kundendepots ihre persönlichen Neigungen um – und nicht das, was für den Kunden am besten wäre. Der Beraterdepotcheck könnte für Sie also sehr aufschlussreich sein.

Könnte. Denn zweifelhaft ist, ob der Finanzprofi seine Depotauszüge einfach so offenlegt. Deshalb will ich Ihnen heute noch einen anderen Test vorschlagen – für Fondsmanager, ebenfalls wissenschaftlich belegt.

Mehr PS, mehr Risiko

Der Test ist einfach: Finden Sie heraus, welches Auto der Geldmanager fährt. Warum? Weil Manager mit einer Passion für PS-starke Sportwagen riskanter anlegen. Weil sie mit Aktien oft waghalsige Wetten eingehen, für das zusätzliche Risiko aber keine höhere Rendite erwirtschaften. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Finanzforscher Stephen Brown, Yan Lu, Sugata Ray und Melvyn Teo, die im Dezember im renommierten Journal of Finance erschienen ist.

Die Wissenschaftler haben Rendite und Risikoeigenschaften von 1.144 US-Hegdefonds von 2004 bis 2015 unter die Lupe genommen – und obendrein die Fahrzeuge der Manager. Dabei haben sie die Autos in drei Gruppen eingeteilt: langweilig, normal und aufregend. Nach der Faustregel: Je mehr Sportlichkeit, PS und Drehmoment, desto aufregender. Je geräumiger und sicherer, desto langweiliger. Den Anlageerfolg ermittelten die Forscher anhand der risikobereinigten Rendite, die durch die Sharpe-Ratio ausgedrückt wird. Das ist die durchschnittliche jährliche Überrendite (Fondsrendite minus Rendite risikoloser Anlagen) geteilt durch die Volatilität.

Langweiler auf der Überholspur

Das bemerkenswerte Ergebnis: Die Sharpe-Ratio der Manager mit Muscle Cars lag im Mittel bei 0,50. Das sind 40 Prozent weniger als beim Durchschnitt der untersuchten Fonds (Sharpe-Ratio: 0,84). Umgekehrt fuhren ausgerechnet die größten Langweiler, die Minivan-Fahrer, die höchste Sharpe-Ratio ein. Sie lag um 58 Prozent über dem Durchschnitt.

Was diese Zahlen konkret bedeuten, zeigt ein Rechenbeispiel: Wir gehen von zwei repräsentativen Fondsmanagern aus, dem Sportwagenfahrer Dave Dash und dem Familienkutschenlenker Kevin Cash. Haben ihre Fonds ein identisches Risiko (Jahresvolatilität: 10 Prozent), dann schafft Kevin Cash beim gegenwärtigen risikofreien Zins von null im Mittel eine Rendite von 13,3 Prozent pro Jahr und Dave Dash nur knapp 5 Prozent. Ein gewaltiger Unterschied: Nach zehn Jahren hat Kevin Cash das Vermögen um 249 Prozent vermehrt, Dave Dash hat mit 62 Prozent nur ein Viertel davon erzielt.

Die Forscher haben auch die Beziehung zwischen Motorleistung und Fonds-Performance analysiert. Hätte sich Dave Dash für eine Karosse mit 100 PS mehr entschieden, hätte sich die Rendite seines Fonds im Schnitt noch mal um knapp einen Prozentpunkt pro Jahr reduziert.

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Keinen Abenteurer für die Altersvorsorge

Woher kommen diese signifikanten Unterschiede? Einen Hinweis gibt der Titel der Studie: „Sensation Seeking and Hedge Funds“. Es geht um Psychologie, genauer gesagt: um das Sensation Seeking. Laut dem Online-Lexikon für Psychologie und Pädagogik sind Sensation Seeker „Menschen, die ein hohes Erregungsmuster brauchen, um sich wohl zu fühlen, das heißt, sie suchen starke Gefühle und Abenteuer und versuchen unbedingt, Langeweile zu vermeiden.“ Wahrscheinlich nicht der Typ von Mensch, dem Sie Ihre Altersvorsorge anvertrauen möchten.

Die Finanzwissenschaft hat noch weitere Studien zum Sensation Seeking parat. So hat sie etwa gezeigt: Fängt sich ein Investor öfter mal ein Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung ein, drückt er auch an der Börse aufs Gaspedal. Das heißt, er handelt wesentlich aktiver als Investoren, die Tempolimits ernst nehmen.

Big Data trifft Big Dating

Einer anderen Form des Sensation Seeking widmet sich eine Untersuchung von Forschern der Miami Business School aus dem Jahr 2016: dem Seitensprung. Sie fanden heraus, dass Menschen, die außerhalb ihrer festen Partnerschaft sexuell aktiv sind, ökonomisch mehr Risiko eingehen als treue Seelen. Da stellt sich unweigerlich die Frage, wie die Kollegen der University of Miami die Daten erheben konnten. Es gibt in den USA zwar öffentlich zugängliche Datenbanken über Autokäufer, über Fremdgänger allerdings (noch) nicht. Die Quelle: Hacker hatten im Jahr 2015 die Datenbank der Dating-Plattform Ashley Madison geknackt, die sich in erster Linie an Verheiratete und fest Verpartnerte wandte – mit dem Slogan „Life is too short. Have an affair.“ Die Hacker veröffentlichten Kundendaten im Umfang von 25 Gigabyte im Netz: Namen, Adressen und Kreditkartentransaktionen für Dating-Dienstleistungen inklusive.

Die Forscher stellten fest, dass in Bezirken mit überdurchschnittlichem Sensation Seeking auch überdurchschnittlich viele Immobilien zwangsversteigert wurden. Sie denken vielleicht, die häufige Untreue führe zu vielen Scheidungen und treibe dadurch die Zwangsversteigerungsrate nach oben. Das ist aber nicht der Fall. Die Wissenschaftler zeigten: Wo Menschen stärker zum Seitensprung neigen, werden Immobilien eher auf Pump gekauft – ein Hinweis auf erhöhte Risikobereitschaft in Finanzangelegenheiten.

Auflauern in der Tiefgarage

Sensation Seeking und ökonomisches Verhalten – an Nachweisen für einen Zusammenhang mangelt es nicht. Besonders wertvoll für Privatanleger dürfte jedoch die Studie über die Kfz-Vorlieben der Finanzprofis sein. Einen Vermögensverwalter nach seinen außerehelichen Affären, Strafzetteln oder Depotauszügen zu fragen, fällt eher schwer. Mit ihm beiläufig über Autos zu plaudern, ist wesentlich unverfänglicher. Sollte das nicht fruchten, kann man immer noch versuchen, ihm nach Feierabend heimlich in der Tiefgarage aufzulauern.

Zwar bin ich kein Anlageberater oder Fondsmanager, befasse mich aber mit der praktischen und algorithmischen Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Geldanlage. Färbt das Sensation Seeking des Algorithmikers vielleicht auf den Computercode ab? Hier kann ich Sie beruhigen. 19 Jahre lang fuhr ich einen Opel Vectra Caravan – quasi der Minivan des kleinen Mannes. Vor Kurzem habe ich dann den Hyundai meiner Tochter übernommen. Was das über mich aussagt, können Sie in der Wirtschaftswoche nachlesen. Sie berichtete ebenfalls über die Studie „Sensation Seeking and Hedge Funds“ und lieferte eine Persönlichkeitsanalyse der Besitzer gängiger Automarken gleich mit. Opel-Fahrer haben demnach nicht viel Geld, sind eher unattraktiv und unsportlich, zudem spießig und ernst. Als Hyundai-Lenker bin ich nun weniger spießig und ernst, bleibe aber unattraktiv und unsportlich. Zudem: Einkommen und berufliche Position fallen gegenüber dem Durchschnitt stark ab. Alles nicht gerade schmeichelhaft, aber für einen Finanzmarktforscher und Entwickler von Anlagestrategien nahezu ideal. Trotzdem schaut man schon mit etwas Neid auf den Tesla-Fahrer: gutes Einkommen, erfolgreich, umweltbewusst, schlank, sportlich. Und als i-Tüpfelchen eine gewisse Portion Arroganz. Der hat halt einfach alles.

Bild: Roberto Hernandez/ Unsplash.com

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Stefan Mittnik
Prof. Dr. Stefan Mittnik
GRÜNDER, WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT
Stefan ist Professor für Finanzökonometrie und Direktor des Center for Quantitative Risk Analysis an der Ludwig-Maximilians-Universität in München sowie Fellow am Center for Financial Studies (CFS) in Frankfurt. Nach der Promotion in den USA lehrte er in New York und Kiel, bevor er 2003 nach München wechselte. Er war Mitglied des Forschungsbeirates der Deutschen Bundesbank, Fachkollegiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie Forschungsdirektor am CFS und Ifo-Institut und hatte mehrere Gast- und Ehrenprofessuren in den USA inne. Seit rund 30 Jahren forscht er zu Fragen der Analyse, Modellierung und Prognose von Finanzmarktrisiken und entwickelt Verfahren, bei denen empirische Relevanz statt finanzmathematischer Eleganz im Vordergrund stehen.