Dieser Mann stand als erster Mensch auf allen 14 Achttausendern. Er hat als Erster den Mount Everest ohne Flaschensauerstoff bestiegen. Hat die Antarktis und mehrere Wüsten durchquert. Er war Europa-Abgeordneter, hat Bestseller geschrieben und sechs Museen gegründet. Langweilig wurde es im Leben des Südtiroler Extremalpinisten Reinhold Messner nie, eher mal brandgefährlich. Am Nanga Parbat wäre er fast gestorben. In der Arktis musste er per Hubschrauber gerettet werden. Es grenzt an ein Wunder, dass der 74-Jährige all seine Abenteuer überlebt hat. Scalable Capital hat ihn zum Gespräch getroffen – über seine Erfahrungen in Todesgefahr, seinen ersten Job auf einer Geflügelfarm und sein bestes Investment.
Foto: Archiv Reinhold Messner
Herr Messner, Sie sind jetzt 74. Die meisten Menschen in diesem Alter leben von ihrer Rente. Wovon leben Sie?
Reinhold Messner: Von meinen Einkünften. Auf meine Rente kann ich verzichten.
Sie haben einen Rentenanspruch?
Ja. Als junger Mann war ich drei Jahre lang Hilfslehrer. Ich war auch mal beim Sportartikelhersteller Fila angestellt, der mein Sponsor war. Später saß ich noch fünf Jahre lang für die italienischen Grünen im EU-Parlament. Das Rentensystem ist das Einzige, was in Italien perfekt funktioniert. Als ich das Rentenalter erreichte, schickte mir der italienische Staat ein Papier, auf dem jeder einzelne Tag meines Angestelltenlebens aufgelistet war. Bei meiner Rente muss ich aber meine Einkünfte gegenrechnen – das lohnt sich nicht. Außerdem tue ich lieber etwas, um lebendig und kreativ zu bleiben.
Was tun Sie?
Ich mache jetzt Filme. Das ist mein neues Leben. Ich hatte schon viele Leben – als Felskletterer, Höhenbergsteiger, Grenzgänger, Forscher und Museumsgründer.
War es Ihnen zu langweilig, nur ein Leben zu leben?
Ich wollte mich bei allem, was ich tat, sukzessive verbessern – mein Tun dabei auf eine höhere Stufe bringen. Und wenn ich dafür keine Chance mehr gesehen habe, habe ich etwas Neues gemacht. Zum Beispiel: Nachdem ich alle 14 Achttausender bestiegen hatte. Im Bergsteigen hätte ich mich nur noch wiederholen können. Das ist langweilig. Also habe ich die großen Wüsten und Eiswüsten durchquert. Das ging dann irgendwann nicht mehr, weil ich mir das Fersenbein gebrochen hatte – beim Versuch, eine Mauer auf meiner Burg zu überklettern. Also wurde ich Forscher, erkundete die heiligen Berge und den Mythos Yeti. Später wurde ich Museumsgründer. Und als ich die Leitung der Museen an meine Tochter übergeben hatte, gründete ich meine Filmfirma. Irgendwann kommt mein erster Spielfilm heraus.
Lassen Sie mich raten: Es ist ein Bergfilm.
Ja. Die Geschichte dazu ist 1903 im Kaukasus tatsächlich passiert, bei einer Erstbesteigung eines sehr schwierigen Gipfels.
Warum erzählen Sie ein historisches Abenteuer? Sie könnten sich doch auch eine Geschichte ausdenken und verfilmen.
Ich bin der Meinung, dass das Leben die spannendsten Geschichten erzählt. Wenn man nicht an ihnen herumwurschtelt, bekommt man den besten Plot.
Trotzdem handeln die ganz großen Blockbuster von erfundenen Abenteuern. Filme wie Avatar, Star Wars oder Herr der Ringe...
… oder E.T. Ja, die Menschen sehnen sich nach dem Jenseitigen. Das sind gut gemachte Filme, aber trotzdem absoluter Stumpfsinn. Nehmen Sie E.T. und Avatar: Wenn es tatsächlich andere Wesen auf einem anderen Stern gibt, dann sehen sie nicht aus wie deformierte Menschen. Die meisten Drehbuchautoren und einige Regisseure müssen zu solch haarsträubenden Mitteln greifen, um Spannung zu erzeugen. Sie können einfach keine lebensnahen Geschichten erzählen. Ich glaube, dass die menschliche Realität, erzählt in einer einfachen realen Geschichte, mehr berührt als all dieser Unfug.
Reinhold Messner wird am 17. September 1944 in Brixen geboren. Zusammen mit seinen acht Geschwistern wächst er im Südtiroler Villnöß-Tal auf. Der Vater ist Lehrer und nimmt ihn früh zu Berg- und Klettertouren mit. Schon als Teenager will er Abenteurer werden. Dennoch beginnt Messner, Landvermessung und Architektur zu studieren und als Hilfslehrer zu arbeiten. Gleichzeitig gelingen ihm schwierige Erstbesteigungen in den Alpen. Bei seiner ersten Himalaja-Expedition und dem gemeinsamen Abstieg vom Nanga Parbat stirbt sein Bruder Günther. Trotzdem beschließt Reinhold Messner danach, Job und Studium an den Nagel zu hängen und sich ausschließlich der Bergsteigerei zu widmen. Nun knackt er zahlreiche Rekorde und wird weltberühmt. Als erster Mensch besteigt er alle 14 Achttausender, den Mount Everest ohne Flaschensauerstoff und den Nanga Parbat im Alleingang. Später zieht es ihn in die großen Wüsten und Eiswüsten. Er geht als Abgeordneter für die Südtiroler Grünen ins EU-Parlament, schreibt an die 50 Bücher und eröffnet sechs Museen rund um das Thema Berg. Reinhold Messner ist vierfacher Vater und seit 2009 mit der Designerin Sabine Stehle verheiratet. Er lebt in Meran und auf Schloss Juval in Südtirol.
Ob als Bergsteiger, Autor oder Museumsleiter – Sie waren fast immer erfolgreich. Was war Ihr Schlüssel zum Erfolg: Disziplin, Talent, Leidenschaft?
Von allem etwas. Aber die Leidenschaft ist eindeutig am wichtigsten. Ich arbeite ja nicht. Ich tue nur, was ich gern tue. Alles andere lasse ich.
__Das ist ein großes Glück, oder? __
Dieses Glück könnten alle Leute haben. Laut Umfragen gehen in Europa 80 Prozent der Menschen einer ungeliebten Arbeit nach. Wenn 80 Prozent einer geliebten Arbeit nachgehen würden, wären wir viel erfolgreicher. Wer mit Leidenschaft seine Sache betreibt, wird wirtschaftlich nie ein Problem haben. Der Erfolg kommt dann automatisch.
Aber viele Menschen haben Angst, dass ihre Leidenschaft sie nicht ernährt. Dass sie als mittellose Maler, Schauspieler oder Schriftsteller enden.
Als ich mich voll aufs Höhenbergsteigen konzentriert habe, hatte ich anfangs auch Angst, dass ich mein Leben nicht finanzieren kann. Bis ich draufgekommen bin, dass das die einfachste Sache der Welt ist. Diese Botschaft habe ich für alle jungen Menschen: Wenn sie tun, was sie gern tun, brauchen sie überhaupt keine Angst davor zu haben, dass sie ihren Lebensunterhalt nicht verdienen können. Vorausgesetzt sie haben auch die Ausdauer, sich dafür zu verschwenden.
Ab wann haben Sie Ihren Lebensunterhalt selbst verdient?
Schon als Kind, mit fünf oder sechs Jahren.
Wirklich?
Das glaubt niemand, aber es ist so. Mein Vater war Lehrer. Aber wir hatten auch eine kleine Geflügelfarm. Und da habe ich gearbeitet. Ich habe die Eier in den Brutkasten getan. Und ich habe Hühner geschlachtet, gerupft und an die lokalen Gasthöfe verkauft. Für jedes Huhn habe ich vom Vater Geld bekommen. Ich habe sicher 10.000 Hühner geschlachtet, auch für andere Leute im Ort.
Sind Sie damals auch schon auf Berge gestiegen?
Mit fünf bin ich auf meinen ersten Dreitausender geklettert, natürlich mit den Eltern. Und noch bevor ich zehn war, bin ich selbstständig im Gebirge herumgezogen. Das waren echte Abenteuer für mich. Und mit 15 wusste ich, dass ich Abenteurer werden will.
Wollten Sie ausbrechen?
Sicher. Bei uns im Tal gab es damals nur zwei Möglichkeiten: Entweder man ist ausgebrochen, oder man wurde gebrochen. Sie müssen sich das vorstellen: Der Lehrer, der Pfarrer und der Bürgermeister haben bestimmt, was die Leute zu tun haben. Wer am Sonntag nicht in der Kirche war, den hat sich der Pfarrer genau gemerkt. Und wir waren oft nicht in der Kirche, weil wir um drei in der Früh schon zum Klettern aufgebrochen sind. Ich hatte sieben Brüder und eine Schwester. Keiner ist im Tal geblieben. Sie alle haben sich aus dieser Enge herausgearbeitet, und fast alle haben studiert. Ich habe Landvermessung und Architektur studiert, auf der Oberschule.
Messner (l.) und Peter Habeler 1978 am Mount Everest, den sie als Erste ohne künstlichen Sauerstoff erkletterten (Foto: Archiv Reinhold Messner).
Und Sie waren Lehrer. Wann haben Sie Ihr bürgerliches Leben aufgegeben?
Nach dem Nanga Parbat, an dem wir 1970 die höchste Wand der Welt erklettert haben, die Rupalwand. Ich habe dabei sieben Zehen verloren. Nach der Rückkehr sagten meine Eltern, Brüder und Freunde: Du kannst eh nicht mehr richtig klettern – vergiss das und mach dein Studium fertig. Ich bin zurück an die Schule, wo ich wieder als Hilfslehrer gearbeitet habe. Vier Monate habe ich überlegt, was ich dann tun soll. Ich habe entschieden, mein Glück an den hohen Bergen der Welt zu wagen. Ich wusste, dass ich die Höhe gut vertrage. Und dass es dort oben keine große Rolle spielt, dass ich nicht mehr so gut klettern kann, weil man da sehr plumpe Schuhe anhat. Also habe ich gekündigt und als Freelancer Bücher geschrieben und Vorträge gehalten. So habe ich meine Expeditionen finanziert. Denn mir hätte ja keine Bank der Welt einen Kredit dafür gegeben, dass ich in einem Jahr drei Achttausender besteige.
Von den eigenen Abenteuern leben – das wollen viele. Aber nur wenige schaffen es. Wie haben Sie es geschafft?
Indem ich eine wirtschaftliche Revolution eingeläutet habe. Eine Revolution beim Besteigen großer Berge. Die Nanga-Parbat-Expedition von 1970, an der ich nicht als Organisator, sondern nur als Bergsteiger teilgenommen habe, hat umgerechnet in Euro ein paar Hunderttausend gekostet. Wir hatten mehr als acht Tonnen Ausrüstung dabei. Im Gegensatz dazu habe ich fünf Jahre später eine eigene Expedition am Hidden Peak auf die Beine gestellt, einem anderen Achttausender – für 10.000 Euro und mit 200 Kilo Ausrüstung. Damit verschaffte ich mir einen Wettbewerbsvorteil. Niemand war damals in der Lage, so günstig Expeditionen durchzuführen wie ich.
War denn das ganze Material überflüssig, das frühere Expeditionen mitgeschleppt haben?
Früher hat man die Achttausender im Expeditionsstil bestiegen – mit vielen Bergsteigern, Hochlagern und Trägern. Wir haben den Alpinstil an die hohen Berge gebracht. Das heißt: Wir waren nur zu zweit und sind möglichst schnell rauf und runter. Dazu brauchten wir keine Hochlager und nur zehn Träger, um die 200 Kilo zum Basislager zu schaffen.
Das Ganze lief so gut, dass Sie sich damit sogar ein Vermögen aufbauen konnten.
Sagen wir so: Wenn eine Expedition sehr erfolgreich war wie 1978 die erste Everest-Besteigung ohne künstlichen Sauerstoff, dann habe ich auch mal etwas Geld für mich zurücklegen können. Aber eigentlich habe ich mein Vermögen nur mit Liebhabereien gemacht. Mit Schloss Juval zum Beispiel. Fünf Jahre lang habe ich nach einem Objekt wie diesem gesucht. 1983 habe ich dann diese Burg gekauft, für 60.000 D-Mark. Wissen Sie, was die Zeitung damals über mich getitelt hat? Nur ein Irrer kauft einen Haufen Steine. Und wissen Sie, was ich heute für diesen Haufen Steine kriegen würde?
Ein paar Millionen wahrscheinlich.
Mindestens. Eine Million hin oder her: Jedenfalls war das mein bestes Investment. Aber das ist völlig unwichtig. Ich verkaufe sowieso nicht. Genauso ist es mit den drei Bergbauernhöfen, die ich gekauft habe – reine Liebhaberobjekte. Ich habe nie Geld aus ihnen rausgeholt. Aber heute sind sie ein Vielfaches des Kaufpreises wert.
Das Renovieren solcher Immobilien ist aber nicht gerade billig.
In meine Burg habe ich vielleicht eine halbe Million reingesteckt. Das hat sich locker gerechnet. Das ist meine Form des Investierens: gestalten und kreativ sein. Wenn dann auch noch der Wert steigt – gut.
Finden Sie denn noch erschwingliche Liebhaberobjekte?
Es ist schwieriger geworden. Auch weil das Bauen und Herrichten heute viel mehr kostet als früher. Aber es geht noch. Vor zwei Jahren habe ich aus einer Versteigerungsmasse ein Hotel herausgekauft. Spottbillig. In Sulden am Ortler. Das wollte ich zu einer Drei-Sterne-Unterkunft machen. Aber meine Familie war dagegen. Deshalb habe ich es nach einem Jahr wieder verkauft – ohne Verlust. Ich bin bis heute überzeugt davon, dass es ein gutes Investment gewesen wäre.
Ökonomisch gesehen war Ihr waghalsigstes Projekt wahrscheinlich die Gründung Ihrer Museen. Insgesamt sind es sechs Häuser, verteilt in den Landschaften Südtirols und in Belluno. Das Herzstück ist die Burg Firmian bei Bozen. Wie haben Sie dieses Mammutprojekt angepackt?
Zwei Häuser gehören mir. Firmian hingegen gehört dem Land Südtirol und wurde europaweit zur Nutzung ausgeschrieben. Die Auflage dabei war: Wer die Burg übernimmt, verpflichtet sich, das Objekt 30 Jahre lang als Museum zu betreiben. Etwa 100 Leute haben sich das angeschaut. Und alle haben gesagt: Das ist nicht machbar. Ich blieb allein übrig. So habe ich die Ausschreibung gewonnen. Dann habe ich drei Museumsdirektoren eingeladen – aus München, Zürich und Rom. Sie sollten meinen Plan begutachten. Ihr Urteil lautete ebenfalls: völlig chancenlos. Bozen sei viel zu klein für so ein Museum, sagten sie. Und statt sechs Museen sollte ich besser ein großes eröffnen, und zwar am Rande einer Millionenstadt. Dann braucht man statt sechs nur einen Ticketverkauf, eine Putzkolonne, einen Stromkreislauf, einen Parkplatz und, und, und.
Offensichtlich hat Sie dieses Urteil nicht abgeschreckt.
Nein. Ich habe gesagt: Das mag alles sein. Aber in einer Metropole wie München oder London werde ich nie mit den großen Museen vor Ort konkurrieren können. Das kleine Museum vom Alpenverein in München kann das auch nicht. Es hat einen Bruchteil der Besucher der Messner Mountain Museen. Ich habe gewusst, dass mein Museumsprojekt in einem Land wie Südtirol mit alpinem Fremdenverkehr und bergaffinen Besuchern eine Chance hat.
Was sind die drei schönsten Berge der Welt, Herr Messner?
Machapuchare (6997 m, Himalaja, Nepal)
Kangchendzönga (8586 m, Himalaja, Nepal/Indien)
Campanile di Val Montanaia (2173 m, Dolomiten, Italien)
Rechnet sich der Museumsbetrieb jetzt?
Ja, das muss er. Wir kriegen keine Subventionen.
Und was passiert nach 30 Jahren, wenn das Nutzungsrecht abläuft?
Da hab ich keine Sorgen. Das Land wird ein großes Interesse daran haben, dass wir das Museum weiterführen. Alles andere wäre viel zu teuer. Dafür habe ich vorgesorgt: Ich habe zum Beispiel ein großes Exponat – einen umgedrehten Berg – mit dem Hubschrauber reingeflogen und an einer Stahldecke aufgehängt. Das kann niemand mehr rausholen. Da müsste er die ganzen Decken rausreißen.
Gibt es auch ein Projekt, bei dem Sie krachend gescheitert sind?
Am Nordpol. Den wollte ich mit meinem Bruder zu Fuß überqueren. Aber rund um uns herum ist die Eisdecke aufgebrochen, mein Bruder ist ins arktische Wasser gefallen, und wir mussten uns von einem Hubschrauber ausfliegen lassen. Insgesamt habe ich etwa ein Drittel meiner großen Abenteuer nicht abgeschlossen. Im Rückblick sind das aber meine wertvollsten Erfahrungen.
Warum?
Weil man nur aus Rückschlägen lernt. Und weil sie viel spannender sind als die Erfolge. Eine Erfolgsgeschichte ist gar keine richtige Geschichte. Die prägt sich nicht ein.
Messner und unser Editor-in-Chief Tobias Aigner im Innenhof von Burg Firmian bei Bozen.
Nun ja. Erfolgsgeschichten wie die Entdeckung Amerikas oder die Mondlandung werden wohl auch in ein paar 100 Jahren noch im kollektiven Gedächtnis verankert sein. Und an Ihre Erstbesteigung des Everest ohne Flaschensauerstoff vor 40 Jahren erinnern sich die Menschen auch noch.
Das lag aber nur an der mächtigen Gegnerschaft. Als wir damals auf den Everest wollten, war ja die ganze Welt gegen uns. Alle Physiologen und Mediziner sagten: Das ist unmöglich, in dieser Höhe kann man ohne künstlichen Sauerstoff nicht überleben. Und die Medien haben das aufgegriffen. Der Triumph war nur deshalb so groß, weil mein Projekt vorher als undurchführbar abgestempelt wurde. Bei der Mondlandung war es übrigens auch so.
Wie haben Sie versucht, das Risiko bei Ihren Expeditionen in den Griff zu bekommen?
Das Risikomanagement beginnt mit den Ängsten, die im Vorfeld aufziehen. Sie kommen automatisch, und man muss sie nutzen. Denn sie zeigen einem, was alles passieren kann. Risikomanagement bedeutet, dass man schon vor der Expedition jede dieser Ängste einzeln ausschaltet.
Klingt noch sehr abstrakt. Können Sie ein Beispiel nennen?
Ja, meine Südpol-Expedition. Bevor ich aufgebrochen bin, habe ich gelesen: 40 Grad minus, ununterbrochen. Mein Gott, dachte ich, wenn da der Kocher versagt, dann war's das. Dann kann ich ja nicht mehr trinken. Ich kann ja kein Eis essen in dieser Kälte. Ich bin dann schon Monate vor der Expedition immer so um drei Uhr früh aufgewacht mit dem Gefühl, dass der Kocher nicht mehr geht. Also habe ich gelernt, den Kocher in alle Einzelteile zu zerlegen und ihn wieder zusammenzubasteln. Das hat mir die Sicherheit gegeben, dass ich mir helfen kann – und diese Angst ging weg.
Rund die Hälfte der Top-Alpinisten stirbt am Berg. Auch Sie sind dem Tod auf Ihren Expeditionen manchmal nur knapp entkommen. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum Sie überlebt haben?
Ich hatte auch Glück. Und ich habe mein Glück nicht oft strapaziert. Ich bin schon ein besonders vorsichtiger Mensch – anders als viele meinen. Aber bei dem, was ein Spitzenbergsteiger tut, reicht ein einziger Fehler, und man ist tot. Ich habe etwa 3.500 Bergtouren gemacht, darunter sehr extreme, und mehr als 100 Expeditionen. Da hätte ich mehr als einmal umkommen können.
Besonders heikel war es vermutlich beim Abstieg vom Nanga Parbat mit Ihrem Bruder Günther. Er ist dabei ums Leben gekommen.
Er ist von einer Lawine erschlagen worden. Eigentlich hätten wir beide sterben müssen. Überall Gletscherspalten, Abbrüche, Lawinen. Und wir waren nach mehreren Tagen am Berg ja völlig erschöpft. Im Prinzip war das nicht überlebbar – nach allen Gesetzen der Wahrscheinlichkeit.
Hatten Sie da große Angst? Oder haben sie eher funktioniert wie eine Maschine?
Zuerst war ich verzweifelt, dann schicksalsergeben. Als ich keine Überlebenschance mehr sah, war da auch keine Angst mehr. Zuletzt habe ich einen dritten Mann gesehen, der mir den richtigen Weg gezeigt hat – eine Vision. Menschen in absoluten Notsituationen sehen oft Hilfsfiguren, die sie für real halten. Der Mann ging vor mir herunter. Ich brauchte ihm nur zu folgen. Es war ja extrem schwierig, sich zu orientieren in diesem steilen Fels-, Eis- und Spaltengewirr. Man hat da keinen Überblick.
Konnten Sie aus diesen extremen Erlebnissen irgendeine Erkenntnis mitnehmen?
Ja. Erstens: Auch wenn der Mensch denkt, völlig erschöpft zu sein, hat er immer noch 20 bis 30 Prozent Reserven. Zweitens: Das Sterben ist am Ende ganz einfach. Wenn Bewusstsein und Unterbewusstsein wissen, dass es keinen Ausweg mehr gibt, lässt man sich in den Tod fallen – ohne inneren Widerstand, ganz selbstverständlich.
Risikohinweis – Die Kapitalanlage ist mit Risiken verbunden und kann zum Verlust des eingesetzten Vermögens führen. Weder vergangene Wertentwicklungen noch Prognosen haben eine verlässliche Aussagekraft über zukünftige Wertentwicklungen. Wir erbringen keine Anlage-, Rechts- und/oder Steuerberatung. Sollte diese Website Informationen über den Kapitalmarkt, Finanzinstrumente und/oder sonstige für die Kapitalanlage relevante Themen enthalten, so dienen diese Informationen ausschließlich der allgemeinen Erläuterung der von Unternehmen unserer Unternehmensgruppe erbrachten Wertpapierdienstleistungen. Bitte lesen Sie auch unsere Risikohinweise und Nutzungsbedingungen.
Scalable Capital bietet erstklassige Vermögensverwaltung mit einer wegweisenden Investment-Technologie. Global diversifizierte ETF-Portfolios mit modernem Risikomanagement, zu niedrigen Kosten.