Christian Ulmen: „Ich konnte null mit Geld umgehen”

14. November 2018  |  Tobias Aigner
Ulmen
Der Schauspieler Christian Ulmen traut seiner Altersvorsorge nicht und findet Luxushotels ziemlich stressig.
Warum, das hat er Scalable Capital im Exklusiv-Interview erklärt.

Schauspieler, Moderator, Regisseur, Produzent, Cutter: Christian Ulmen hat bei Film und Fernsehen schon fast alles gemacht. Dass der 43-Jährige sehr gefragt ist, merkt man auch beim Interview. Es ist für acht Uhr abends angesetzt – telefonisch. Aber weil Ulmen noch mitten im Dreh für den Weimarer „Tatort” steckt, beginnt es mit fast 90 Minuten Verspätung. „Verzeihung!!!”, schreibt Ulmen per SMS vom Set. „Es geht hoch her, aber danach habe ich viel Zeit für Sie!” Das war nicht übertrieben. Bis elf Uhr nachts hat er mit Scalable Capital gesprochen – über Tagesgeld-Hopping, den Stress in Luxushotels und das Lachen als Heilmittel gegen die eigene Scham.

Schauspieler Christian Ulmen

Foto: René Staud

Herr Ulmen, wie sehen Sie als TV-Profi eigentlich fern?

Christian Ulmen: Ich sehe tatsächlich sehr selten klassisch fern. Und wenn, dann so, wie meine Eltern es mir nie erlaubt haben: Ich lasse mich berieseln. Ich zappe müde und ohne zu denken durch die Sender. Oft bleibe ich stundenlang nirgendwo hängen und fange bei den 58 Programmen immer wieder von vorn an.

Sind Sie diese Woche schon mal irgendwo hängengeblieben?

Ich glaube, bei Markus Lanz. Vorm Einschlafen.

War’s spannend?

Bei meinem Fernsehverhalten geht es nicht um Spannung, sondern um Dösen und Dödeln. Dazu passte Lanz hervorragend.

Wann hatten Sie denn zuletzt einen fesselnden Fernsehabend?

Sie meinen klassisches Fernsehen? Also keine Stoffe digitaler Streamingdienste? Okay... (Überlegt lange). Weiß ich nicht mehr. Ah, doch – „Kulenkampffs Schuhe”! Habe ich vor ein paar Wochen beim Zappen erwischt, im Hessischen Rundfunk. Das hat mich nachhaltig berührt. Dabei ging es um Hans-Joachim Kulenkampff, Hans Rosenthal und Peter Alexander, die großen Fernsehunterhalter der Nachkriegszeit. Ein fantastisches Fernsehstück, das mir zum ersten Mal verdeutlichte, dass die vermeintlich oberflächlichen Unterhaltungsshows aus den 50er Jahren letztlich Traumatherapie waren. Und zwar sowohl für den vom Krieg traumatisierten Zuschauer als auch für die damaligen Entertainer selbst.

Man hat das Gefühl, dass es solche TV-Highlights in Deutschland nur selten gibt. Sie haben zwei Jahre in London für MTV gearbeitet. Machen Briten und Amerikaner besseres Fernsehen?

Es gibt großartiges Fernsehen in Deutschland und viel mehr Highlights, als man denkt und mit feuilletongerümpfter Nase sagt. Dass die Amis und Briten besser sind, ist ein Klischee. Wenn ein Deutscher etwas auf Englisch hört, denkt er automatisch, das sei besser. Weil wir popkulturell englisch geprägt sind. Alle, die wir cool fanden, von Marylin Manson bis Jarvis Cocker, unterhalten auf Englisch. Englisch verhieß immer die geile weite Welt, deutsch war der Fahrplan für den Dorfbus. Deshalb denken wir bei jeder doofen britischen Kochshow wegen des London-Akzents vom Koch: Die machen aber geiles Fernsehen. Trotzdem ist da was dran, dass die Engländer uns in Sachen Experimentierfreude und Ideenreichtum etwas voraus sind. Die Zuschauer haben sich aber auch fernsehkulturell anders entwickelt als wir. In England gab es nur fünf Programme, da hatten in Deutschland alle schon ewig 25 Sender über Kabelanschluss. Für alles, was über BBC, ITV, Channel 4 und Channel 5 hinausging, musste man lange eine kostenpflichtige Set-Top-Box haben, die sich viele nicht leisten wollten. Du standst vor der Wahl: Fünf Sender for free – oder Pay-TV. Dazwischen gab es nichts. Deshalb konnte die BBC viel länger unabhängig vom Konkurrenzdruck Programm mit selbstbestimmter Qualität machen – aus Anspruchs- statt aus Wirtschaftsdenken. In Deutschland haben sich die Öffentlich-Rechtlichen früher dem Wettbewerb mit frei empfangbaren privaten Sendern stellen müssen.

Christian Ulmen wird am 22. September 1975 in Neuwied geboren. Schon als 15-Jähriger moderiert er Sendungen im Hörfunk und Fernsehen, zuerst im Offenen Kanal in Hamburg, später auch bei RTL. Nach dem Abitur schreibt er sich an der Uni in Evangelischer Theologie ein. Doch er tritt das Studium nie an. Stattdessen wird er von MTV entdeckt. Jetzt kommt seine Medienkarriere richtig in Schwung. Für den Musiksender moderiert Ulmen erst von London, später von Deutschland aus. Der Durchbruch als Schauspieler gelingt ihm 2003, als er in Leander Haußmanns Romanverfilmung von „Herr Lehmann” die Titelrolle eines Berliner Barkeepers spielt. Danach übernimmt er weitere Kino-Hauptrollen, zum Beispiel in „Elementarteilchen” und „Maria, ihm schmeckt’s nicht!” Im TV und online sorgt Ulmen mit seinen kultigen, experimentierfreudigen Formaten für Aufmerksamkeit. Etwa mit „Jerks”, einer Serie, in der er und sein Freund Fahri Yardim sich selbst spielen und dauernd in peinliche Situationen geraten. Ulmen gründet auch zwei Produktionsfirmen. Das breite Fernsehpublikum kennt ihn heute als Kriminalhauptkommissar Lessing, der im Weimarer „Tatort” zusammen mit Kira Dorn (gespielt von Nora Tschirner) ermittelt. Christian Ulmen ist zweifacher Vater und seit 2011 in zweiter Ehe mit der Moderatorin und Schauspielerin Collien Ulmen-Fernandes verheiratet. Das Paar wohnt in Potsdam.

Sie arbeiten für beide – öffentlich-rechtliche und private Sender. Gerade bereiten Sie die dritte Staffel Ihrer Serie „Jerks” für ProSieben und Maxdome vor. Sie und Ihr Kumpel Fahri Yardim spielen darin sich selbst und stolpern von einer hochnotpeinlichen Situation in die nächste, so dass es beim Zuschauen oft richtig wehtut. Scham und Peinlichkeit sind ein Markenzeichen Ihrer Produktionen. Warum immer dieses Thema?

Schwer zu sagen. Vielleicht weil ich mich schon als Kind fortwährend geschämt habe – für meine Mutter, für meine schiefen Zähne, für alles Mögliche. Sich über die eigene Scham auszulassen, sie auszulachen, ist wohltuend.

Das Spiel mit der Scham ist im Fernsehen ja nicht neu. Ein früher Meister dieses Fachs war Loriot. Ein Vorbild für Sie?

Nein. Loriot war Perfektionist. Er hat alles bis ins kleinste Detail einstudiert, das merkt man seinen Filmen auch an. Ich sehe Loriot wahnsinnig gern, aber für meine eigenen Sachen orientiere ich mich nicht daran. Jerks zum Beispiel entsteht aus Chaos. Es gibt keine Dialogtexte, nur einen Plot. Wenn Loriot ein Sinfonieorchester ist, ist Jerks der Typ mit dem Looper und der Bass-Drum auf dem Rücken am Hauptbahnhof.

Die breite Öffentlichkeit kennt Sie heute vor allem aus dem Weimarer „Tatort”, in dem Sie und Nora Tschirner das Ermittlerduo Lessing und Dorn spielen. Ist das auch noch Straßenmusik oder eher Mainstream-Pop?

Fantastischer Mainstream-Pop mit leichten Straßenmusik-Anleihen. Zum Beispiel wenn Nora als Kira die Haare wild hat, weil sie gerade aus dem Bett gekommen ist.

Bei Ihnen hat man immer den Eindruck, die Schauspielerei ist ein Riesenspaß. Stimmt das? Würden Sie Ihren Kindern raten, Schauspieler zu werden?

Wenn mein Kind fragt, ob es Schauspieler oder Programmierer werden soll, würde ich sagen: Programmierer. Als Schauspieler musst du auch mal länger darauf warten, bis einer anruft und dir eine Rolle anbietet. Du musst dich immer wieder vorstellen, ein Leben lang durch Castings ziehen, dich anbieten. Wenn du da nicht stark genug bist, kann dich das auch fertigmachen.

Und die Gagen? Entschädigt das Honorar eines Tatort-Kommissars für die Durststrecken ohne Engagement?

Mit dem Tatort wird man nicht schweinereich. Sage ich nur, weil das immer alle denken. Trotzdem geht’s einem natürlich gut als Kommissar. Die meisten Schauspieler in Deutschland haben keine festen Engagements und werden grundsätzlich eher mittelmäßig bis schlecht bezahlt. Wer nicht den Leidensdruck verspürt, spielen zu müssen, der sollte diesen Job nicht machen.

Waren Ihre Eltern deshalb so skeptisch, was Ihre Berufswahl anbelangt? Sie haben mal gesagt, Ihre Mutter hätte Sie dauernd gefragt, wann Sie endlich zu studieren anfangen.

Sie fragt heute noch. Fairerweise muss ich aber sagen: Meine Eltern haben mich alles machen lassen. Und es ist sicher seltsam, wenn das Kind direkt nach der Schule nach London geht, um bei einem komischen Musikkanal zu moderieren. Ohne Ausbildung. Ohne Studium. Und bestimmt nehmen da alle Drogen. Meine Eltern hatten mir zuliebe ihre Angst für sich behalten. Das war toll von ihnen. So Sachen wie Jerks allerdings sind für meine Mutter auch heute noch Weltuntergänge. Inhaltlich wird sich da keine Beruhigung einstellen bei ihr. Das tut mir leid, aber da muss sie durch. Ich hätte ja auch Rennfahrer werden können oder Hochseilartist – was das erst für Ängste sein müssen für die Eltern.

Schauspieler Christian Ulmen

Foto: Jens Koch

Wann war Ihnen klar, dass Sie keinesfalls studieren?

Schon in der neunten Klasse. Ich wollte möglichst schnell arbeiten, beim Radio oder Fernsehen. Hatte ich ja, seit ich zwölf war, nebenher schon gemacht. Das hat mich so gekickt, dass ich als Jugendlicher nächtelang durchgearbeitet habe und Zeug für den Offenen Kanal in Hamburg bastelte. Das war es, was ich immer tun wollte. Das Abitur habe ich dann nur noch gemacht, um meine Eltern nicht zu enttäuschen. Es hätte mir nicht geschadet, wenn ich mit der Schule nach der zehnten Klasse aufgehört hätte, was sich retrospektiv natürlich leicht sagen lässt.

Hätten Sie denn als Teenager schon von Ihren Moderationsjobs leben können?

Nein, das war alles eigeninitiativ – und der Offene Kanal war damals so etwas wie YouTube, nur im Kabelfernsehnetz.

Dann kam das Angebot von MTV...

Genau, ich zog mit 19 nach London und hatte dort auch ganz gut verdient. War aber immer ab der Mitte eines Monats pleite. Der Geldautomat spuckte nix mehr aus. Meine Eltern schickten mir Miracoli-Spaghetti. Ich konnte wirklich null mit Geld umgehen.

Haben Sie Ihre Ausgaben heute besser im Griff?

Ja. So richtig aber erst, seit ich vor 13 Jahren Vater wurde. Da hatte mir meine herrliche Grundnaivität, der ich so viel zu verdanken hatte, plötzlich Lebewohl gesagt. Auf einmal waren da Zukunftsängste. Nie gehabt bis dahin. Hatte neben dem Vaterwerden sicher auch mit dem Anblick vieler Kollegen zu tun, bei denen es schlagartig nicht mehr lief, die einbrachen. Ich schloss dann mehrere Versicherungen ab und eröffnete ein Tagesgeldkonto.

Sie haben mit 30 begonnen, systematisch zu sparen?

Na ja, den Hang zum spontanen Geldausgeben habe ich nicht ganz verloren. Aber ich habe damals Tagesgeld-Hopping betrieben. Ich bin von einem Tagesgeldkonto zum nächsten gezogen – immer wenn irgendwo 0,2 Prozent mehr Zinsen geboten wurden, bin ich dahin. So sahen meine Finanzgeschäfte aus. Es war öde...

...und aufwändig. Hat es sich gelohnt?

Überhaupt nicht. Auch weil ich das Konto immer wieder geplündert habe, wenn ich in den Urlaub gefahren bin oder eine Uhr kaufen wollte.

Dann war das Geld hoffentlich nicht als Altersvorsorge gedacht.

Nein. Dafür habe ich mehrere Rentenversicherungen abgeschlossen. Aber ich kann Ihnen nicht sagen, welche. Ich habe da den Überblick verloren und würde mich nicht wundern, wenn ich mit 80 feststelle, dass ich da irgendwas nicht richtig unterschrieben habe und kein Geld kommt oder so.

Warum investieren Sie nicht in Aktien?

Mir ist das suspekt. Ich verstehe nichts davon.

Sie könnten sich ja damit beschäftigen. Finden Sie Finanzthemen langweilig?

Eigentlich nicht. Ich habe ja auch Firmen gegründet und allein deshalb viel rechnen müssen. Was zahle ich den Mitarbeitern? Was bleibt hängen? Ich beschäftige mich zwangsläufig mit Geldfragen, weil ich mit Budgets umgehen muss. Ich finde es auch spannend, wie man TV-Programme mit Produktplatzierung finanzieren kann und solche Sachen. Aber Aktien sind mir einfach fremd.

Und wenn Sie Geld ausgeben: Prassen Sie dann auch mal richtig?

Ich gebe sehr gerne Geld aus. Dabei falle ich auf die einfachsten Tricks herein. Wenn etwas teuer ist, denke ich sofort, es muss toll sein. Ich lasse mich zuverlässig von Hochglanz ködern und buche ungern günstige Hotels.

Klingt so, als würden Sie das kritisch sehen.

Voll. Ich verachte mich fast dafür. Wenn du viel Geld für ein Hotel bezahlst, erwartest du, dass du wie ein Sultan behandelt wirst. Du reist voller Ansprüche an, aber auch in einem teuren Hotel geht das Telefon mal nicht, der Fernseher ist kaputt oder der Kühlschrank macht Lärm. Dann fühlst du dich betrogen. Das kann einen richtig unter Stress setzen. Die unmenschliche Perfektion, die du erwartest, weil du einen teuren Urlaub gebucht hast, macht dich zu einem Meckersack. Eigentlich sollte man ohne jeden Anspruch in die Ferien fahren, wieder Campingurlaub machen. Das ist erholsamer, als ständig zu prüfen, ob dir der bezahlte Luxus auch wirklich geboten wird.

Was ist denn echter Luxus für Sie?

Mir fällt halt leider nur die Klischeeantwort ein: Zeit. Das sagt jeder. Aber es stimmt. Einen Tag nichts tun und grenzdebil durch die Kanäle zappen.

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Tobias Aigner
Tobias Aigner
EDITOR IN CHIEF (Ehemals)
Tobias ist Finanz- und Wirtschaftsjournalist mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung. Zuletzt arbeitete er als leitender Redakteur für das Wirtschaftsmagazin €uro. Zuvor war er für Capital, Börse Online, die Financial Times Deutschland und die Süddeutsche Zeitung tätig. In seinen Kommentaren, Analysen und Features setzte er sich vor allem mit den Themen Börse, Risikomanagement und regelbasierte Anlagemodelle auseinander. Tobias hat Physik an der TU München studiert.